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Die Neugründung der Physikalischen Gesellschaft zu Berlin und erste Aktivitäten

Sehr früh schon hatte Carl Ramsauer, der letzte Präsident der DPG (1940 - 1945) über die Neugründung der Physikalischen Gesellschaft Vorgespräche geführt. Für die Genehmigung wäre ein einstimmiger Beschluß des alliierten Kontrollrates nötig gewesen, aber dafür lagen die Ansichten der vier Vertreter zu weit auseinander. Als 1948 die Sowjets den Kontrollrat blockierten, ging die Zuständigkeit für die Gründung von Vereinen auf die jeweiligen Stadtkommandanten über. Es dauerte zwar noch ein Jahr, bis alle Voraussetzungen geklärt waren, aber zum 10. Mai 1949 riefen dann Carl Ramsauer und Heinrich Gobrecht Physiker aus den Berliner Universitäten, Forschungsinstituten und der Industrie zu einer vorbereitenden Sitzung auf. Nach Überwindung mancher Probleme und Erfüllung aller Formalitäten, fand am 7. Dez. 1949 die Gründungsversammlung statt.

Nach einem Festvortrag von lwan Stranski wurde Carl Ramsauer zum 1. Vorsitzenden gewählt, Werner Schaafs wurde sein Vertreter. Am Gründungstag wurden nahezu hundert Mitglieder aufgenommen. Von den ehemaligen Kollegen hatten die in Berlin verbliebenen Physiker mancherlei Zuspruch erhalten. Erwähnt sei Ernst Brüche, der bei vielen Besuchen und durch seinen umfangreichen Briefwechsel, insbesondere aber mit seinen "Physikalischen Blättern" umfassend über die Entwicklung der Physik in ganz Deutschland berichtete und so den Zusammenhalt der Physiker im viergeteilten Deutschland über alle Zonengrenzen hinweg förderte. Insbesondere aber sei an Max von Laue gedacht, der die Entwicklung in Berlin mit stetem Interesse beobachtete und mit vielfältigem Rat half. Ein Beispiel ist sein nachfolgend abgedruckter Brief an Carl Ramsauer.

Zwar konnte von Laue nicht an der Gründungsversammlung in Berlin teilnehmen, aber 1951 kam er im Alter von 71 Jahren als Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physikalische Chemie und Elektrochemie (seit 1953 Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft) nach Berlin zurück. Am 9. November 1951 wurde von Laue zum 1. Vorsitzenden der Physikalischen Gesellschaft zu Berlin gewählt. Sein Stellvertreter wurde Friedrich Werner, Direktor der Askania-Werke.

Seit Ihrer Neugründung veranstaltete die Physikalische Gesellschaft wiederum etwa alle 14 Tage wissenschaftliche Sitzungen und öffentliche Vorträge (wegen der Finanzierung der Reisen häufig in Zusammenarbeit mit dem Außeninstitut der TUB) mit Gästen aus allen Teilen Deutschlands und seit 1952 wieder in verstärktem Maße mit Vortragenden aus dem Ausland. Unsere ersten Gäste waren: Sir Charles Darwin (Cambridge), Lise Meitner (Stockholm) und James Franck (Chicago). Sehr bald wurden auch größere Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit anderen Berliner Institutionen durchgeführt, z. B. die von Jean D'Ans initiierte "Berliner Woche der exakten Naturwissenschaften" vom 24. bis 30. Mai 1951, gemeinsam mit den beiden Berliner Universitäten, der Deutschen Forschungshochschule Berlin-Dahlem und dem Ortsverband Berlin der Gesellschaft Deutscher Chemiker. An den ersten drei Tagen dominierte die Chemie, die letzten drei waren der Physik gewidmet. Zu den sechzig Vorträgen, darunter zehn aus dem Ausland (Schweiz, Frankreich, England, USA und Brasilien), kamen fast 2500 Teilnehmer, davon ca. 1000 aus der DDR. Bei den Höhepunkten der Tagung, z. B. dem Festakt am Sonntag mit einem Vortrag von Carl Ramsauer über "Berlin und die exakten Naturwissenschaften" [2], in welchem er die Entwicklung seit 1700 - insbesondere die große Zeit der Physik und Chemie von 1900 bis 1930 - sehr lebendig schilderte, war der große Hörsaal des Physikgebäudes (1000 Plätze, damals der größte Berlins) hoffnungslos überfüllt. Das galt auch für die Vorträge von Otto Hahn über "Beispiele internationaler Zusammenarbeit" und von Erwin Müller, der das Bild des Leuchtschirmes eines Feldelektronen-Mikroskops an die Tafelwand projizierte, so daß die ca. 1400 Anwesenden die Bewegung einzelner Atome auf der Spitze des Wolframdrahtes erkennen konnten. Auch die Festrede auf dem Bankett, die der 91jährige Friedrich Schmidt-Ott, jahrzehntelanger Förderer und Organisator der Wissenschaften (letzter Preußischer Staatsminister für die geistlichen und die Unterrichtsangelegenheiten (1918), Stellvertretender Vorsitzender der Kaiser-Wilhelm-GeselIschaft von 1911 bis 1930, Vorsitzender bis 1933), Gründer der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft und deren Vorsitzender bis 1933), über die Forschung und Forschungsförderung in Berlin während der letzten sechzig Jahre hielt, wird jedem in Erinnerung bleiben, der dabei war.

Zu den wichtigsten Ereignissen der ersten Jahre gehört auch die Sommerfeld-Gedenkfeier am 15. Juni 1951 mit Ansprachen von Carl Ramsauer und Max von Laue sowie die Karl-Scheel-Gedächtnisfeier am 7. März 1952. Hermann Ebert (PTR) ehrte Karl Scheel als Mensch, Forscher und Sachverwalter des physikalischen Schrifttums. Albrecht Kussmann (PTR) sprach über die Bedeutung Karl Scheels für die physikalische Arbeitstechnik. Eine wohlverdiente Ehrung für den in Rostock geborenen aber seit seinem Studium in Berlin gebliebenen Physiker, der mehr als dreißig Jahre lang Geschäftsführer der Deutschen Physikalischen Gesellschaft war.

1952, vom 28. September bis 3. Oktober fand zum ersten Mal nach dem Kriege die „Deutsche Physikertagung“ in Berlin statt. Die große Teilnehmerzahl, 425 aus der Bundesrepublik, 501 aus der DDR und Berlin-Ost, 588 aus Berlin-West, sowie 29 aus dem Ausland, zeigte, dass Berlin ein besonders attraktiver Tagungsort war. Das bestätigte sich auch späterhin bei allen nationalen und internationalen Tagungen.

Die Berliner Gesellschaft hatte seit ihrer Gründung zahlreiche Mitglieder aus dem Ostteil der Stadt und der DDR. Nur ganz wenige hielten sich fern und mieden unsere Veranstaltungen. Das blieb auch so, nachdem im September 1952 die „Physikalische Gesellschaft der DDR“ gegründet worden war . 1955 z. B. kamen ca. 80 von unseren 430 Mitgliedern aus dem Ostteil der Stadt und aus der DDR.

 

[2] Carl Ramsauer: Berlin und die exakten Naturwissenschaften. Die Naturwissenschaften 38 (1951) 449. (Festvortrag, gehalten am 27. Mai 1951 auf der Internationalen Woche der exakten Naturwissenschaften)