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Die Zeit nach dem Fall der Mauer

Der Fall der Mauer 1989 ist das wichtigste Ereignis der letzten Jahrzehnte sowohl für Berlin als auch für unsere Gesellschaft. Schon vor der offiziellen Vereinigung der Gesellschaften aus Ost und West hatten wir Kontakt zu den Kollegen aus dem Osten aufgenommen und sie zu unseren Veranstaltungen eingeladen. Sehr stark war ihre Beteiligung im Januar 1990 an der seit 1984 jährlich durchgeführten Informationsveranstaltung über "Berufsfelder und Berufsaussichten der Physiker" - eintägig mit ca. zehn Referenten und viel Zeit für Diskussionen und Gespräche.

Um das wechselseitige Verständnis und das Zusammenwachsen zu fördern, wurde im Sommer 1990 unser Vorstand - bis zu den nächsten Wahlen 1992 - um drei Beisitzer erweitert, die von den Berliner Mitgliedern der damaligen Physikalischen Gesellschaft der DDR gewählt wurden. Auch das traditionelle "Von-Laue-Kolloquium" wurde in neuer Form wieder eingerichtet. In jedem Semester findet ein Vortrag mtt einem hervorragenden Referenten über ein wichtiges, allgemein interessierendes Thema statt, um den Zusammenhalt zwischen unseren Mitgliedern zu stärken; ca. 800 Hörer kamen zum ersten Von- Laue-Kolloquium, auf dem Hermann Haken über "Synergetik und Mustererkennung" sprach.

Nach der Vereinigung stieg unsere Mitgliederzahl erfreulicherweise viel stärker an, als aufgrund der Zahl der Berliner Mitglieder der ehemaligen Physikalischen Gesellschaft der DDR zu erwarten war. 1991 waren es 1160 Mitglieder im Westteil der Stadt und 366 im Ostteil, Anfang 1994 bereits über 2000 Mitglieder.

Auch die verbliebenen Auflagen des Vermächtnisses von Karl und Melida Scheel konnten jetzt erfüllt werden: An der Großen Stadtschule in Rostock - Scheels ehemaligem Gymnasium - wurde eine an ihn erinnernde Bronzetafel angebracht, und jedes Jahr erhält an dieser Schule der Abiturient mit den besten Leistungen in Physik den Karl-Scheel-Schülerpreis.- eine Urkunde und einen kleinen Geldbetrag.

Im Ostteil Berlins und der Umgebung lag die Mehrzahl der zur Akademie der Wissenschaften der DDR gehörenden Forschungsinstitute. Nur ein Teil der dort tätigen Wissenschaftler wurde in Nachfolgeeinrichtungen übernommen. Die recht große Zahl der dadurch arbeitslos gewordenen Physiker, zusammen mit denen aus "abgewickelten" Forschungsgruppen der Industrie ist ein Problem, welches es in diesem Umfang wohl in keinem anderen Regionalverband und wohl auch in keiner anderen Stadt gibt. Wir hoffen, daß für dieses - nicht nur die Betroffenen, sondern alle Physiker belastende - Problem, recht bald eine akzeptable Lösung gefunden wird. Andererseits hat in Berlin und den neuen Bundesländern der Aufbau einer effizienten, konkurrenzfähigen Forschungsstruktur große Fortschritte gemacht. In Berlin gibt es sechs sogenannte Max-Planck-Arbeitsgruppen, deren Leiter gleichzeitig Professoren der Humboldt-Universität sind. In einigen Jahren sollen sie in den Fachbereich Physik eingegliedert werden, um die sehr vernachlässigte Forschung an der Humboldt-Universität zu verbessern.

Neu zusammengestellt wurden in Berlin und Potsdam fünf "Blaue Liste"-Institute im Forschungsverbund Berlin e.V. (Sie werden so genannt, weil die erste Zusammenstellung dieser Gruppe von Forschungseinrichtungen auf blauem Papier gedruckt war.)

Es handelt sich dabei um das

  • Institut für Kristallzüchtung (IKZ)
  • Paul-Drude-Institut für Festkörperelektronik (PDI)
  • Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie (MBI)
  • Ferdinand-Braun-Institut für Höchstfrequenztechnik (FBH)
  • Weierstraß-Institut für Angewandte Analysis und Stochastik
  • Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie (FMP)
  • Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW)
  • Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB

Andere Forschungsgruppen wurden zu Außenstellen westdeutscher Großforschungsinstitute. So wurde das ehemalige Kernforschungsinstitut Zeuthen bei Berlin eine Außenstelle des Deutschen Elektronensynchrotrons DESY Hamburg.

Ganz besonders freuen sich die Berliner Physiker, daß das Magnus-Haus, Am Kupfergraben 7 - großzügig wiederhergerichtet durch eine Spende der Siemens AG - als Haus der DPG zur Verfügung steht. Wir erwarten davon neue Impulse für die Physik in Berlin. Dieses Haus wird nicht nur wissenschaftliches Begegnungszentrum der DPG sondern auch Sitz der Physikalischen Gesellschaft zu Berlin sein, die damit zum ersten Male in ihrer Geschichte ein eigenes Domizil hat. Noch wichtiger sind die hervorragenden Möglichkeiten des Hauses mit Vortragssaal, Ausstellungs- und Seminarräumen für Vorträge, Seminare, aber auch festliche Veranstaltungen.

Mußte anläßlich der 100-Jahr-Feier 1945 Eberhard Buchwalds Vortragsthema "Die Physikalische Gesellschaft an der Schwelle des zweiten Jahrhunderts" berechtigte Sorgen vor der kommenden Entwicklung auslösen, so können wir am 150. Gründungstag unserer Gesellschaft mit Zuversicht und guten Erwartungen in die Zukunft sehen.