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1955 und 1958: Gedenken an Einstein und Planck

Auf Vorschlag der Physikalischen Gesellschaft zu Berlin (Vorstandssitzung am 9. Dezember 1954) und sorgfältig durch Gespräche zwischen Max von Laue und seinem langjährigen Freund Gustav Hertz vorbereitet, wurde für 1955, dem 50. Jahrestag der wichtigsten Publikation Albert Einsteins in den „Annalen der Physik“ eine gemeinsame Veranstaltung mit der Physikalischen Gesellschaft der DDR geplant. Max von Laue lud Max Born (Göttingen) ein, am 18. März im Großen Hörsaal der TU Berlin (West) einen Vortrag über „Einstein und die Lichtquanten“ zu halten, und entsprechend lud Gustav Hertz Leopold Infeld (Warschau) ein, am 19. März im Vortragssaal der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin (Ost) über die Geschichte der Relativitätstheorie zu sprechen. Albert Einstein wurde in einem gemeinsamen Schreiben (vom 21. Januar 1955) von Gustav Hertz und Max von Laue sehr herzlich zur Teilnahme eingeladen. Einstein dankte mit einem sehr freundlichen Antwortschreiben (vom 10. Februar 1955), bedauerte, daß er aus gesundheitlichen Gründen nicht kommen könne und wünschte der Feier einen guten Verlauf.

Dieser Brief zeigt eindeutig, daß Einstein zu diesem Zeitpunkt keine Vorbehalte mehr dagegen hatte, in Deutschland geehrt zu werden. Das erwies sich für die Feiern anläßlich seines 100. Geburtstages als sehr wichtig, denn viele deutsche Politiker und Wissenschaftler kannten nur frühere Äußerungen Einsteins, in denen er wegen der Verbrechen während der Naziherrschaft jede offizielle Ehrung in Deutschland schroff ablehnte.

Die Veranstaltungen fanden reges Interesse und verliefen sehr harmonisch, z. B. holte der Sekretär der Physikalischen Gesellschaft in der DDR, Alfred Büchner, Max Born in seinem Wagen über die innerdeutsche Grenze und besorgte innerhalb weniger Stunden das Visum, das Max Born wegen seines englischen Passes für den Besuch in Ost-Berlin benötigte. Um so unverständlicher ist es, daß in späteren Schriften der Physikalischen Gesellschaft in der DDR, z. B. "25 Jahre Physikalische Gesellschaft der DDR 1952 bis 1977" und "30 Jahre Physik in der DDR, 1949 - 1979" diese gemeinsame Veranstaltung mit keinem Wort erwähnt wird.

Ähnlich verfuhr diese Gesellschaft auch mit den Feiern zum 100. Geburtstag von Max Planck im April 1958, angeregt von der Physikalischen Gesellschaft zu Berlin (Vorstandssitzung am 24. März 1957), und veranstaltet von dem Verband Deutscher Physikalischer Gesellschaften, der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin und der Physikalischen Gesellschaft in der DDR.

Diese Veranstaltungen begannen am 24 April mit einer Festssitzung in der Staatsoper Unter den Linden. Nach der Eröffnung durch Max Volmer, dem Präsidenten der Akademie, hielt Max von Laue den Festvortrag über "die Plancksche Strahlungsformel und die Konsequenzen für die klassische Physik" und Hans Frühauf, Vizepräsident der Akademie, würdigte Max Planck als langjährigen Sekretär der Preußischen Akademie der Wissenschaften von 1912 bis 1938. Otto Hahn überreichte im Namen der Max-Planck-Gesellschaft eine Planck-Büste, die in der Bibliothek des an diesem Tage vom Ost-Berliner Oberbürgermeister Ebert der Physikalischen Gesellschaft in der DDR übertragenen Magnus-Hauses ihren Platz fand. Nach einem kleinen Kolloquium mit hervorragender Besetzung im Vortragssaal dieses Hauses, auf dem u. a. Lise Meitner sprach, klang der Tag mit einem Festessen im Apollo-Saal der Staatsoper und einer Aufführung der Oper "lphigenie in Aulis" aus.

Zu der am Nachmittag des 25. April 1958 vom Verband Deutscher Physikalischer Gesellschaften veranstalteten Festssitzung in der Westberliner Kongreßhalle (ca. 1500 Plätze) kamen ca. 2500 Interessenten, so daß viele mit einer Lautsprecherübertragung vorlieb nehmen mußten. Nach der Eröffnung durch den Verbandsvorsitzenden Ferdinand Trendelenburg sprach Werner Heisenberg über die "Plancksche Entdeckung und die philosophischen Grundfragen der Atomlehre". Die dabei versuchsweise entwickelte Grundgleichung der Materie, wurde in den Medien sehr spektakulär als "Weltformel" herausgestellt.

Nachdem Gustav Hertz über "die Bedeutung der Planckschen Strahlungsformel für die Experimentalphysik" - den Franck-Hertz-Versuch, das Bohrsche Atommodell und den Compton-Effekt gesprochen hatte, würdigte abschließend Wilhelm Westphal den Menschen Planck. Musik von Mozart und Bach, Komponisten, die Planck besonders geliebt hatte, umrahmten die Vorträge. Der Bundespräsident und der Regierende Bürgermeister gaben für prominente Teilnehmer einen Empfang.

In den oben genannten Schriften der Physikalischen Gesellschaft in der DDR werden weder die Festsitzung in der Kongreßhalle, noch die Mitwirkung des VDPG an der Gesamtveranstaltung erwähnt. Ein Fall von Geschichtsfälschung, der gerade im Zusammenhang mit einer Ehrung Max Plancks sehr peinlich ist. Während der folgenden Jahre wurden die Kontakte der beiden Gesellschaften, die sich zuvor recht gut entwickelt hatten, von östlicher Seite immer mehr eingeschränkt. Die Umbenennung in "Physikalische Gesellschaft der DDR" war ein letzter Schritt in diese Richtung. Hätte eine Physikalische Gesellschaft in der DDR noch die Möglichkeit eines Beitritts zum Verband Deutscher Physikalischer Gesellschaften offen gelassen, seit der Gründung der Physikalischen Gesellschaft in der DDR gab es darüber zahlreiche Diskussionen, so war jetzt eine endgültige Absage erteilt worden. Auf der Physikertagung 1963 in Hamburg wurde folgerichtig die Deutsche Physikalische Gesellschaft unter ihrem alten Namen neu gegründet. Seither ist die Physikalische Gesellschaft zu Berlin einer ihrer Regionalverbände. Der Bau der Berliner Mauer 1961 hatte zuvor bereits auch die wissenschaftlichen Kontakte innerhalb Berlins vollständig unterbrochen.